Wednesday, 16 May 2007

Field trip to Porjus



Derzeit geht es wieder etwas hektischer auf der KTH zu, denn wieder stehen die Prüfungen, assignments und Projektpräsentationen mehr oder weniger auf einmal auf dem Programm.

Ein Höhepunkt kurz vor dem Beginn der Prüfungen war jedoch eine Exkursion nach Porjus.

Im Rahmen des Kurses "Energy and Environment" des Masterstudiengangs "Sustainable Energy Engineering" ging es für 4 Tage noch einmal an den Polarkreis, um der Wasserkraft und Windpower Nordschwedens auf den Zahn zu fühlen.

Der Trip stellt auch eine Art krönenden Abschluß für die Kollegen dar, da der 2-jährige Studiengang traditionell mit dieser Exkursion zu Ende geht.

Die KTH zeigte sich spendabel und so mussten wir nur für den Flug aufkommen, der Rest an Eintritten, Bus, Kost (und davon reichlich alle 4 Stunden) und Logis wurde übernommen.

An einem Mittwoch früh fanden wir uns in Stockholm Arlanda ein, um mit der bekannten Airline "Nordic Regional" nach Norden aufzubrechen.

Statt Lappland im zwitschernden Frühling erwarteten uns bis 100 cm Schnee im Mai und frostige +/- 0 °C. Etwas hart, wenn eben endlich der Frühling daheim in Stockholm angefangen hat.
Am Polarkreis jedoch herrschen etwas andere Jahreszeiten.


Ein grauer, graupelfreudiger Himmel lies die Hoffnung auf "white nights in Porjus" weiter schwinden.

Was macht da mehr Sinn als die Oberfläche zu verlassen und in die Unterwelt abzutauchen?
So ging es nach einer Stärkung im Grand Hotel Lapland (lasst eurer Phantasie nur freien Lauf :-) ab in die Eisenmine der staatlichen Bergbaufirma LKAB.
Dem aufmerksamen Leser kommt das bekannt vor, denn bereits in Kiruna waren wir in einer LKAB Eisenmine.


Dennoch war dies hier etwas anders, da wir mit einem alten Bus direkt durch das Labyrinth bis auf 1050 m unter die Erde gefahren sind.

Dort unten herrscht mitunter ein Verkehrsaufkommen wie auf der Tangente Freitag um 4 Uhr am Nachmittag, bloß mit schwereren Fahrzeugen.

In der Mine wird Eisenerz als Magnetit und Hämatit erst abgesprengt, dann die Felsbrocken abtransportiert und in einem gigantischen Crusher unter der Erde zerkleinert. Am Ende wird das Metall als Pellet abtransportiert.

Neben der Steuerungszentrale der automatischen Bohrer und Sprenger konnten wir uns den Riesenmörser ansehen, der die Felsbrocken auf Faustgröße zerkleinert.





Dort liegt neben Staub und mächtig Donner ein heftiger Ammoniakgeruch in der Luft, da der Sprengstoff Ammoniumnitrat enthält, das bei der Zerkleinerung der Felsbrocken frei wird. Wer da unten zu arbeiten hat, trägt Schutzmasken und Schutzkleidung.

Dafür verdient es sich wie schon mal erwähnt ganz gut - der Durchschnittsgehalt liegt bei rd. 3500 €, als Akademiker natürlich höher. Dieser Tage wird jedoch für höhere Löhne gestreikt.

Angesichts reichlich vorgewärmter Frischluftzufuhr in der Mine (außer am Grinder) und einer ausreichenden Beleuchtung verliert man rasch das Gefühl in einem Loch 1 km unter der Erde zu sitzen. Das wurde einem erst so richtig bewusst, als wir mit unserem Bus an einem weniger frequentierten Seitenarm stehenblieben. Licht aus. Motor aus.
- Nichts, absolut nichts. Finsternis. Du hörst gerade mal deinen Sitznachbarn atmen...

Nach dieser interessanten Tour ging es nach Porjus, einer 417 Seelengemeinde die ohne der Wasserkraft wohl nicht existieren würde. Bevor Vattenfall hier 19irgendwas ankam, gab es genau zwei Anwohner am Fluß Lule, an dem heute insgesamt 15 Wasserkraftwerke liegen.

Die Freude der zwei Samen wird entsprechend groß gewesen sein.
Sami sind die Ureinwohner Lapplands, der Begriff "Lappen" wird von den Sami als negativ aufgefasst.
Um die Kultur und das Leben der Ureinwohner hier oben ein wenig kennezulernen stand auch ein Besuch eines Sami-Museums auf dem Programm.




Die Flagge von Laponia (Lappland) oben und ein typisches Sami-Haus unten.


Doch erstmal gab es das Wasserkraftwerk in Porjus zu besichtigen.








Unter anderem konnten wir eine 220 MW-Einheit bei der Arbeit "hören". Der Generator + Francis Turbine + Welle kommen auf 1410 t, die beim Anlauf durch 400 bar Öl um 0,1 mm gehoben werden, wodurch sich das Werkel theoretisch mit einem Finger drehen lässt.

Wenn die 1410 Tonnen dann mit 83 Umdrehungen pro Minute rotieren, dann macht das einen Höllenlärm und nebenbei gewinnt man auch noch Energie, die dann Überland nach Südschweden geht.

Danach war das Beziehen unserer Unterkunft in Porjus vorrangig. Unsere Gruppe stellte mit einem Schlag gut 10 % der Bevölkerung und so reichte das einzige Hotel in Porjus nicht ganz für alle aus.
Ein paar der Kollegen und ich wurden daher direkt am Stausee in netten Cabins an der alten Bahnstation untergebracht. Die Gastgeberin war eine aus Birmingham ausgewanderte Britin, die sich nach einem Urlaub entschied hier zu bleiben und als Naturfotografin und land-lady ihr Brot zu "verdienen".


Auf meinem Nachtkästchen fand sich allerlei interessante Literatur, unter anderem Sugarcraft - DAS Kuchen-Dekorationsmagazin.



Wer Ruhe, weites Land und Einsamkeit pur sucht, der ist in Nordschweden besonders gut aufgehoben.

Die Natur ist hier wirklich einzigartig schön...







Wenn einmal im Jahr eine Abordnung der KTH kommt, dann ist es wohl mit der Ruhe nicht so weit her.

Der Tourist ist hier übrigens an der Benützung eines Schlüssels zum Absperren des Zimmers/Skidoos/Autos zu erkennen. Niemand der Einheimischen fürchtet um sein Eigentum, Kriminalität ist hier oben kein Thema.

Ich hab das jetzt chronologisch nicht mehr ganz genau im Kopf, aber nachdem wir fast die ganze Zeit irgendwas gegessen hatten, stand wohl im Anschluß ein traditionelles Abendessen mit Erklärung der jeweiligen Gerichte auf dem Programm.


Danach fanden wir uns im kleinen Konferenzraum des netten Hotels ein, denn "jedes Land" hatte eine Präsentation über die Situation der Wasserkraft zu halten.

Besonders interessant war dabei die Präsi der Chinesen, da der "Drei-Schluchten-Damm" das größte Wasserkraftprojekt der Welt ist.

China nahm das Kraftwerk 2006 in Betrieb. Nachdem der Stausee knapp 630 km lang ist, mussten über eine Mio Menschen, vorwiegend Bauern umgesiedelt werden - ein nicht allzu leichtes Unterfangen.

Das Kraftwerk selbst leistet derzeit rund 22.500 MW und wird in den nächsten Jahren durch weitere Turbinen noch auf bis zu 50.000 MW deutlich erweitert.
Zum Vergleich: Österreichs größtes Wasserkraftwerk - die Kraftwerksgruppe Malta leistet rund 890 MW.
Den Eingriff in Natur und Leben der Anwohner kann man sich vorstellen.

Nach spannenden Diskussionen Für und Wider der jeweiligen Projekte ging ich mit einigen Kollegen noch den nahen "Berg" erklimmen. Vom Gefühl her würde ich sagen, es war so um 5 am nachmittag herum, de facto war es jedoch kurz vor 23:00. Im Gegensatz zur Mine gibt es hier zu dieser Jahreszeit überhaupt keine Dunkelheit. Leicht abendliche Stimmung herrscht von Mitternacht bis etwa 02:00 und dann geht die Sonne schon wieder auf.

Langsam verzogen sich auch die Wolken und so wurden die "white nights in Porjus" doch noch Wirklichkeit.


Am Gipfel des "Berges" angekommen, konnten wir der Empfehlung unserer Gastgeberin Folge leisten und den "sounds of laponia" lauschen.


An den nächsten Tagen stand neben einem weiteren Wasserkraftwerk und einer Windturbine...




...auch der Besuch einer Gold- und Kupfermine auf dem Programm.

In Aitik, nahe dem schönen Gällivare (falls das jemandem ein Begriff ist) werden im Tagbau Kupfer, Gold und andere Metalle abgebaut.
Die Firma nennt sich "Boliden" und trägt den Namen völlig zurecht, denn was sich dort an Ungetümen auf Rädern oder Ketten tummelt ist unglaublich.

Schon bei der Einfahrt in die Mine, muß an unserem Bus wie an jedem anderen Fahrzeug ein Fähnlein an einer Stange montiert werden, um nicht übersehen zu werden.


Niemand übersieht einen Reisebus normalerweise, doch beim Anblick der ersten Caterpillar wird klar - hier herrschen andere Größenordnungen.


Der 30 t Sattelschlepper wirkt wie ein Matchboxauto neben dem 7,6 m breiten Ungetüm.






Natürlich sind auch hier Schutzhelme zu tragen und für mich war auch bereits einer reserviert gewesen :-)




Das was hier rumfährt übertrifft alles bisher Gesehene deutlich, die Caterpillar 793 mit 6 m Höhe wiegen knapp 340 t, wobei 81 t an Zuladung draufpassen. Das Ganze wird dann mit einem 2415 PS Diesel den Berg hinaufgekarrt, wobei da dann schon mal 400 l Diesel pro Stunde durchsprudeln.

Ein idealer Spielplatz für Männer, diese Mine.





Der kleine Bagger zur Rechten dürfte ohne Begleitfahrzeug nicht auf einer öffentlichen Straße fahren - er ist deutlich zu breit.



Tatsächlich jedoch sieht man fast nur Frauen hinter dem Steuer dieser Boliden. Grund ist die Firmenpolitik, die solche Geräte lieber in Frauenhand weiß, da sie angeblich sorgfältiger damit umgehen würden.

Eine beeindruckende Fahrt jedenfalls in unserem winzigen Reisebus bis fast zum Grund der 800m tiefen Mine.
Jedesmal wenn einer der Riesencaterpillar vorbeifuhr und uns Gottlob nicht übersah, verdunkelte sich der Himmel für ein paar Sekunden mit einer ordentlichen Ladung Staub.



Nach einer letzten Begutachtung der Schwerkraftwagen, wie diese Riesen offiziell genannt werden, stiegen wir wieder in unseren Mini-Reisebuß, nahmen das Fähnlein ab und machten uns auf den Weg zum Flughafen, von wo wir von Nordic Regional wieder sicher nach Stockholm geflogen wurden, wo uns ein traumhafter Frühlingsnachmittag bei tropischen 15 °C begrüßte.

Auch wenn dies hoffentlich der letzte Ausflug in den Winter für heuer war, so hatte Lappland einen ganz besonderen früh-früh-frühlingshaften Reiz.
Ciao Lappland!

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